13KGHT73 Der Handel mit Schnittblumen – günstig, global, giftig
Der Handel mit Schnittblumen – günstig, global, giftig

Der Handel mit Schnittblumen – günstig, global, giftig

 

Chemiecocktail. Bei diesem Wort denkt man an Reagenzgläser, an grüne, blubbernde und rauchende Flüssigkeiten und an Menschen in weißen Kitteln und Schutzbrillen. Aber wohl kaum einem würden Blumensträuße in den Sinn kommen. Die Schnittblumen aus Supermärkten und Blumenläden sind beliebte Ware – vor allem in Deutschland. Hier werden die meisten Blumen in der EU verkauft. Doch auf den floralen Mitbringseln befindet sich ein wahrer Pestizid-Mix. Wie kommt es dazu? Was bedeutet das für die Gesundheit und was sollte beim Blumenkauf beachtet werden?

 

Aus aller Herren Länder

Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, wo die Blumen überhaupt herkommen. „Na, aus Holland“, mag man annehmen. Allerdings ist das oft nur die halbe Wahrheit. Meistens kommen die Blumen aus Südamerika oder Afrika. Von dort werden sie in die Niederlande exportiert und dann dort versteigert. Auf diesem Weg wird über die Hälfte des weltweiten Blumenhandels abgewickelt, schreibt die Frankfurter Rundschau. Selbst das Angebot kleiner Blumenläden gebe in der Regel keine Hinweise dahingehend, von wo die Pflanzen kommen und wie sie gezogen wurden.

Die Anzahl niederländischer Produzenten für Schnittlumen sinkt kontinuierlich und immer mehr niederländische Blumenzüchter verlagern ihre Produktion in andere Länder. Ein Grund dafür ist die Einsparung an Ausgaben. Denn in den Niederlanden muss ein Blumenproduzent etwa 15 Prozent der Gesamtaufwendungen für Energiekosten veranschlagen und ungefähr ein Drittel für die Löhne. Da ist die Produktion anderswo kostengünstiger. In Lateinamerika oder Afrika sind die Energiekosten niedriger und die ArbeiterInnen haben oft keinen gewerkschaftlichen Schutz.

Eine besonders beliebte Alternative ist Kenia. Hier herrschen die optimalen Wachstumsbedingungen für Blumen, vor allem für Rosen. Zudem hat die kenianische Umweltbehörde NEMA zu wenig Personal. So wird der Einsatz von verbotenen Pestiziden auf den Blumenfarmen kaum überprüft; wenn es hochkommt, etwa alle zwei Jahre. Die afrikanische Hauptstadt der Rosen ist Naivasha. Am Rande der Stadt reihen sich riesige Rosen-Plantagen mit Gewächshäusern in Fußballfeld-Größe aneinander. Dort werden die meisten Rosen gezüchtet, die später in der EU verkauft werden. Auf den Plantagen arbeiten rund 90.000 Menschen und schneiden, bündeln und sortieren die Blumen wie am Fließband. In gekühlten LKWs werden die Pflanzen zum 100 km entfernten Flughafen Nairobi transportiert. Das Umladen muss schnell gehen, damit die Kühlkette nicht unterbrochen wird; schließlich müssen die Blumen noch ein paar Wochen halten. Die Naivasha-Rosen werden nach Frankfurt geflogen, dort in Deutschlands größtem Frischezentrum sortiert und zum weiteren Transport verteilt.

Der Großteil der Blumen kommt also nicht wirklich aus dem beschaulich blühenden Nachbarland. Zwar sind die Niederlande noch immer das wichtigste Exportland für Schnittblumen, aber auch Ecuador und Kolumbien züchten, was das Zeug hält. Sie zählen inzwischen zu den zweitgrößten Exportländern. Durch das Wachstum der Anbieter (vor allem in Entwicklungsländern) und den hart umkämpften Markt steigt das weltweite Angebot, die Preise hingegen werden gedrückt.

 

Gewächse mit Schattenseite

Das Geschäft blüht also – zugleich stellt sich dessen Kehrseite als äußerst problematisch dar. Generell sind Monokulturen ja ökologische Wüsten. Dabei erweist sich die der Blumenproduktion als regelrechte Pestizid-Wüste, da die Pflanzen vor Schädlingen, Schimmelpilzen und dergleichen geschützt werden müssen.

Der BUND wollte genauer wissen, was sich auf den Blümchen tummelt und ließ 2012 Rosensträuße aus verschiedenen Berliner Geschäften – Blumenketten und Supermärkten mit bundesweiten Filialen – untersuchen. Auf acht der zehn Sträuße wurden Pestizidrückstände gefunden; nur die Sträuße aus zwei kleinen Blumenläden waren frei davon. Der schlechteste Strauß enthielt einen Cocktail aus acht verschiedenen Pestiziden, ein anderer kam auf fünf. Die hohen Konzentrationen der Pilzbekämpfungsmittel Carbendazim und Chlorthalonil bewertet der BUND dabei als besonders bedenklich. Diese wirken teilweise stark krebserregend und hormonell.

Auch ÖKO-Test untersuchte im Mai 2017 Rosensträuße auf Rückstände von Pestiziden sowie auf Aspekte wie Kontrollmechanismen, Transparenz und Mitverantwortung des Handels. Insgesamt wurden 14 Sträuße untersucht. Einer bestand mit einem „gut“, zehn waren "ausreichend", "mangelhaft" oder "ungenügend". Auf einem einzigen Strauß wurden bis zu 20 verschiedene Gifte nachgewiesen, darunter elf, die in Deutschland verboten sind. Laut WHO und der US-Umweltbehörde EPA sind ein Drittel der insgesamt 60 gefundenen Substanzen wahrscheinlich krebserregend, fortpflanzungsgefährdend oder erbgutverändernd.

Warum gibt es hier solche Sträuße zu kaufen? Weil dort, wo die Pestizide eingesetzt werden, andere Regeln gelten und es hierzulande zu wenig bis gar keine gibt. So können die verseuchten Blumen problemlos und ohne Einschränkungen in Deutschland eingeführt werden. Dr. Martin Dermine vom Pestizid-Aktionsnetzwerk PAN Europe in Brüssel erklärt: „Er gibt keine Gesetzgebung, die die Einfuhr von Pestiziden auf Schnittblumen regelt, keine festgelegte Höchstgrenze für Rückstände.“ Durch diese Regelungslücke in der EU fehlt der Überblick. Zwar wurde 2009 eine Umweltschutzrichtlinie erlassen, doch hilft die nur bedingt weiter. Seitdem ist der Einsatz vieler Pestizide in der EU verboten, über 120 chemische Substanzen dürfen gar nicht mehr eingesetzt werden. Aber eben nur hier. Für anderswo gilt das nicht. Jürgen Stellpflug, Chefredakteur von ÖKO-Test, sagt: „Hier kann alles eingeführt werden, was in anderen Ländern eingesetzt wird. … Das sind nach unseren Untersuchen auch oftmals Pestizide, die hier nicht erlaubt sind.“ Nebenbei bemerkt: Wegen der ganzen Rückstände sollten verblühte Schnittblumen nicht auf dem Komposthaufen entsorgt werden, sondern im Restmüll. So bleiben der Kompost und auch der Dünger, der daraus entsteht, giftfrei.

 

Wie der Blumenanbau Menschen schadet

Die Nutzung von so viel Chemie hat natürlich gesundheitliche Auswirkungen auf die Arbeitskräfte. Vor allem, wenn diese in Gewächshäusern arbeiten und nicht unter freiem Himmel. Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit sind unter anderem die Folgen. Auf den Phillippinen wurde das vermehrte Auftreten von Krebs und Nierenschäden beobachtet. Nach Schätzungen des PAN Germany sterben 40.000 Menschen weltweit in Folge der Pestizidspritzerei. Oft verfügen die Arbeitskräfte nicht über entsprechende Schutzmöglichkeiten und Kenntnisse. All die gesundheitlichen Risiken werden obendrein schlecht bezahlt. Ein kenianischer Arbeiter beispielsweise verdient höchstens um die 40 EUR monatlich und arbeitet dafür über 50 Stunden in der Woche. Auch in Kenia kann man damit keine Familie ernähren.

In Afrika bringt die Rosenzucht aber noch weitere Probleme mit sich. Der Rosenanbau braucht viel Wasser, welches in Kenia nicht gerade im Überfluss vorhanden und zudem auch noch teuer ist. Vier Liter Wasser braucht eine Rose, um gut zu wachsen. Nebenbei sickern durch das Einnebeln mit Chemie Giftstoffe durch Boden und Abwasser ins Grundwasser.

Wassermangel, vergiftete Böden sind auch Probleme in Kolumbien und Ecuador. In Ecuador war es auch, als die Harvard School of Public Health 72 Kinder zwischen sieben und acht Jahren untersuchte. Deren Mütter arbeiteten in der Schwangerschaft in einem Blumenanbaubetrieb und waren Pestiziden ausgesetzt. Eignungstests ergaben, dass ihre Kinder in ihrer Entwicklung um bis zu vier Jahre zurücklagen. „Wir haben festgestellt, dass diese Pestizide gefährlicher sind, als wir jemals dachten“, fasst der Projektleiter Philippe Grandjean die Untersuchung zusammen.

Hinter diesem Hintergrund macht es besonders fassungslos, dass Rosen mitunter raubkopiert werden. Denn auch für manche Blumen müssen Lizenzgebühren gezahlt werden, um sie anbauen zu dürfen. Jedes Jahr vernichtet der niederländische Zoll am Flughafen Amsterdam Schiphol Rosen – in einem Wert von 250 Millionen Euro. Alles in allem: Es herrschen katastrophale Zustände in der Blumenindustrie.

Und wie wirkt sich die Chemie auf den Endverbraucher aus? Über Ausdünstungen und Hautkontakt gelangen diese Substanzen in den Körper und können die Gesundheit beeinträchtigen. Eine Untersuchung belgischer Floristen zeigte, dass Pestizidrückstände in deren Urin vorhanden waren. Man weiß zwar nicht, ob und wie sich das letzten Endes auswirkt aber das Risiko ist da und die Rückstände wurden definitiv vom Körper aufgenommen. Für Verbraucher hierzulande sieht das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) keine gesundheitliche Gefährdung, so teilte man 2010 mit. Allerdings könnte diese Ansicht inzwischen ruhig aktualisiert werden. Außerdem bezog das BfR diese Stellungnahme auch nur auf Produktionen aus Deutschland und aus der EU; für  Drittstaaten könne man ein Risiko nicht sicher ausschließen. Da ist es gut zu wissen, dass jede dritte Rose aus Nicht-EU-Staaten kommt und dass man mit solchen Blumen entsprechend umgehen sollte. Der Umweltmediziner Peter Ohnsorge rät dazu, Handschuhe zu tragen oder sich zumindest nach dem Hantieren mit Schnittblumen die Hände zu waschen. Wegen der Ausdünstungen sollten die Blumen nicht ins Schlafzimmer gestellt werden oder in andere Räume, in denen man viel Zeit verbringt. Und bei Krankenbesuchen sollte man am besten ganz auf solch ein Mitbringsel verzichten.

Ebenso hält Stellpflug Verbraucher für am wenigsten gefährdet, gibt aber dennoch zu bedenken, dass es sich um „immense Mengen gefährlicher Substanzen handelt“. Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass wir sowieso schon vielen anderen Chemikalien und Ausdünstungen im Alltag ausgesetzt sind.

 

Fairtrade ist besser

Um die Situation in der Blumenbranche zu verbessern, gibt es mittlerweile zwei Siegel. Das eine ist das „Flower Label Program“ (FLP) von Fairtrade. Nur sind auch diese Blumen bzw. Rosen leider nicht pestizidfrei. Auch bei diesen fand Öko-Test mindestens 12 verschiedene Pestizide (auf einem Strauß). Dass selbst da noch so viele gefunden werden, macht das Ausmaß des Problems deutlich, so Stellpflug. Zwar könnten die Richtlinien bei Fairtrade noch weiter ausgebaut werden, aber immerhin sind die Vergabebedingungen strenger und das Siegel noch einen anderen Vorteil: Es steht für bessere Arbeitsbedingungen. Durch die Fairtrade-Prämie können Gesundheitsschulungen finanziert werden oder es gibt Projekte, welche die Grundversorgung der Arbeiter sicherstellen. Manche Farmen in Navashi haben sich eine Mühle angeschafft, mit der die Arbeiter für sich selbst Grundnahrungsmittel mahlen können. Ein zur Farm gehörender Hühnerstall sorgt für Fleisch und Eier zum günstigen Preis. Die Kosten für solche Projekte werden durch einen Aufpreis getragen, den die Importeure zahlen – ein paar Cent pro Bund.

Das andere Siegel ist der Industriestandard MPS. Das niederländische Label „Milieu Programma Sierteelt“ überprüft bei Farmen in Entwicklungsländern die Kategorie „Socially Qualified“. MPS selbst betrachtet das eigene System als „Anregung, möglichst wenige der schädlichen Mittel einzusetzen.“ Der Nachteil bei beiden Siegeln ist, dass sie keine Giftfreiheit garantieren. In deren Listen sind Substanzen erlaubt, die in Europa nicht verwendet werden dürfen und auch solche, die von Greenpeace und Öko-Test als „hochgefährlich“ eingestuft werden. Als verbotene Stoffe sind unter anderem jene gelistet, die sowieso nicht mehr eingesetzt werden. Übrigens tragen zwölf der von Öko-Test geprüften Sträuße das MPS-Label.

 

Tipps zum besseren Blumenkauf

Was kann man denn als Verbraucher tun? Keine Schnittblumen mehr kaufen? Das ist irgendwie auch keine Lösung. Dafür ist die Blumenindustrie für die Produktionsländer zu wichtig. In Kenia zum Beispiel bringt die Produktion der Rosen einen Jahresumsatz von rd. 400 Mio. Euro ein und macht damit gut ein Viertel des dortigen Bruttoinlandsproduktes aus.

Also sitzen wir ein bissen in der Zwickmühle: Auf der einen Seite sind giftige Blumen, schädlich für die Arbeiter und uns selbst. Auf der anderen Seite sind sie die Existenzgrundlage für viele Menschen. ÖKO-Test empfiehlt, „statt keiner Blumen aus Afrika, lieber bessere Blumen aus Afrika zu kaufen“; sprich Fairtrade vorzuziehen.

Eine Alternative sind die deutschen Biosiegel Naturland oder Bioland. Das grüne Logo „Ich bin von hier“ kennzeichnet regionale Blumen. Diese Sträuße kosten vielleicht ein paar Euro mehr, aber das sollten unsere Mitmenschen uns wert sein – zumindest jene, die wir beschenken wollen. Zudem sollten wir die Jahreszeiten nicht vergessen. Wir wissen, dass wir im Winter keine Erdbeeren kaufen sollten; bei Blumen ist das nicht anders. Blumen können gekauft werden, wenn sie Saison haben. Für Geschenke im Winter könnte man auf Zweige, Tannenzapfen oder Beeren zurückgreifen oder eben Fairtrade-Blumen besorgen.

Statt einem ganzen Strauß ist eine einzelne Blume mit einer Karte und lieben Worten eine ebenso schöne Aufmerksamkeit. Genauso wie eine Topfpflanze; die hält länger und eventuell beschert sie einem später sogar eine kleine Ernte. Gleichermaßen praktisch und schön sind ganz andere Mitbringsel – wie zum Beispiel unsere Naturseife. Die Lavendel-Variante duftet auch und das ganz ohne Chemie.

Zu guter Letzt noch einen Tipp: Mund auf beim Blumenkauf! Es setzt ein Zeichen, im Blumenladen nachzufragen, woher die Blumen stammen und unter welchen Bedingungen sie angebaut wurden. Das Angebot kann sich ändern – aber nur, wenn die Nachfrage nach unbehandelten, fairen Blumen steigt und gleichzeitig die Zahlungsbereitschaft wächst.

 

 

Quellen:

bund.net/umweltgifte/gefahren-fuer-die-gesundheit/schnittblumen/

uni-muenster.de/NiederlandeNet/nl-wissen/kultur/blumenland/ausbeutung.html

fr.de/wirtschaft/giftige-gruesse-11426149.html

daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/interview-oekotest-pestizide-in-blumen-100.pdf

zeit.de/wissen/2010-02/valentinstag-rosen-afrika

sueddeutsche.de/wirtschaft/blumen-aus-der-dritten-welt-die-rosenfabriken-1.3318309

 

Chemiecocktail. Bei diesem Wort denkt man an Reagenzgläser, an grüne, blubbernde und rauchende Flüssigkeiten und an Menschen in weißen Kitteln und Schutzbrillen. Aber wohl kaum einem würden Blumensträuße in den Sinn kommen. Die Schnittblumen aus Supermärkten und Blumenläden sind beliebte Ware – vor allem in Deutschland. Hier werden die meisten Blumen in der EU verkauft. Doch auf den floralen Mitbringseln befindet sich ein wahrer Pestizid-Mix. Wie kommt es dazu? Was bedeutet das für die Gesundheit und was sollte beim Blumenkauf beachtet werden?

 

Aus aller Herren Länder

Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, wo die Blumen überhaupt herkommen. „Na, aus Holland“, mag man annehmen. Allerdings ist das oft nur die halbe Wahrheit. Meistens kommen die Blumen aus Südamerika oder Afrika. Von dort werden sie in die Niederlande exportiert und dann dort versteigert. Auf diesem Weg wird über die Hälfte des weltweiten Blumenhandels abgewickelt, schreibt die Frankfurter Rundschau. Selbst das Angebot kleiner Blumenläden gebe in der Regel keine Hinweise dahingehend, von wo die Pflanzen kommen und wie sie gezogen wurden.

Die Anzahl niederländischer Produzenten für Schnittlumen sinkt kontinuierlich und immer mehr niederländische Blumenzüchter verlagern ihre Produktion in andere Länder. Ein Grund dafür ist die Einsparung an Ausgaben. Denn in den Niederlanden muss ein Blumenproduzent etwa 15 Prozent der Gesamtaufwendungen für Energiekosten veranschlagen und ungefähr ein Drittel für die Löhne. Da ist die Produktion anderswo kostengünstiger. In Lateinamerika oder Afrika sind die Energiekosten niedriger und die ArbeiterInnen haben oft keinen gewerkschaftlichen Schutz.

Eine besonders beliebte Alternative ist Kenia. Hier herrschen die optimalen Wachstumsbedingungen für Blumen, vor allem für Rosen. Zudem hat die kenianische Umweltbehörde NEMA zu wenig Personal. So wird der Einsatz von verbotenen Pestiziden auf den Blumenfarmen kaum überprüft; wenn es hochkommt, etwa alle zwei Jahre. Die afrikanische Hauptstadt der Rosen ist Naivasha. Am Rande der Stadt reihen sich riesige Rosen-Plantagen mit Gewächshäusern in Fußballfeld-Größe aneinander. Dort werden die meisten Rosen gezüchtet, die später in der EU verkauft werden. Auf den Plantagen arbeiten rund 90.000 Menschen und schneiden, bündeln und sortieren die Blumen wie am Fließband. In gekühlten LKWs werden die Pflanzen zum 100 km entfernten Flughafen Nairobi transportiert. Das Umladen muss schnell gehen, damit die Kühlkette nicht unterbrochen wird; schließlich müssen die Blumen noch ein paar Wochen halten. Die Naivasha-Rosen werden nach Frankfurt geflogen, dort in Deutschlands größtem Frischezentrum sortiert und zum weiteren Transport verteilt.

Der Großteil der Blumen kommt also nicht wirklich aus dem beschaulich blühenden Nachbarland. Zwar sind die Niederlande noch immer das wichtigste Exportland für Schnittblumen, aber auch Ecuador und Kolumbien züchten, was das Zeug hält. Sie zählen inzwischen zu den zweitgrößten Exportländern. Durch das Wachstum der Anbieter (vor allem in Entwicklungsländern) und den hart umkämpften Markt steigt das weltweite Angebot, die Preise hingegen werden gedrückt.

 

Gewächse mit Schattenseite

Das Geschäft blüht also – zugleich stellt sich dessen Kehrseite als äußerst problematisch dar. Generell sind Monokulturen ja ökologische Wüsten. Dabei erweist sich die der Blumenproduktion als regelrechte Pestizid-Wüste, da die Pflanzen vor Schädlingen, Schimmelpilzen und dergleichen geschützt werden müssen.

Der BUND wollte genauer wissen, was sich auf den Blümchen tummelt und ließ 2012 Rosensträuße aus verschiedenen Berliner Geschäften – Blumenketten und Supermärkten mit bundesweiten Filialen – untersuchen. Auf acht der zehn Sträuße wurden Pestizidrückstände gefunden; nur die Sträuße aus zwei kleinen Blumenläden waren frei davon. Der schlechteste Strauß enthielt einen Cocktail aus acht verschiedenen Pestiziden, ein anderer kam auf fünf. Die hohen Konzentrationen der Pilzbekämpfungsmittel Carbendazim und Chlorthalonil bewertet der BUND dabei als besonders bedenklich. Diese wirken teilweise stark krebserregend und hormonell.

Auch ÖKO-Test untersuchte im Mai 2017 Rosensträuße auf Rückstände von Pestiziden sowie auf Aspekte wie Kontrollmechanismen, Transparenz und Mitverantwortung des Handels. Insgesamt wurden 14 Sträuße untersucht. Einer bestand mit einem „gut“, zehn waren "ausreichend", "mangelhaft" oder "ungenügend". Auf einem einzigen Strauß wurden bis zu 20 verschiedene Gifte nachgewiesen, darunter elf, die in Deutschland verboten sind. Laut WHO und der US-Umweltbehörde EPA sind ein Drittel der insgesamt 60 gefundenen Substanzen wahrscheinlich krebserregend, fortpflanzungsgefährdend oder erbgutverändernd.

Warum gibt es hier solche Sträuße zu kaufen? Weil dort, wo die Pestizide eingesetzt werden, andere Regeln gelten und es hierzulande zu wenig bis gar keine gibt. So können die verseuchten Blumen problemlos und ohne Einschränkungen in Deutschland eingeführt werden. Dr. Martin Dermine vom Pestizid-Aktionsnetzwerk PAN Europe in Brüssel erklärt: „Er gibt keine Gesetzgebung, die die Einfuhr von Pestiziden auf Schnittblumen regelt, keine festgelegte Höchstgrenze für Rückstände.“ Durch diese Regelungslücke in der EU fehlt der Überblick. Zwar wurde 2009 eine Umweltschutzrichtlinie erlassen, doch hilft die nur bedingt weiter. Seitdem ist der Einsatz vieler Pestizide in der EU verboten, über 120 chemische Substanzen dürfen gar nicht mehr eingesetzt werden. Aber eben nur hier. Für anderswo gilt das nicht. Jürgen Stellpflug, Chefredakteur von ÖKO-Test, sagt: „Hier kann alles eingeführt werden, was in anderen Ländern eingesetzt wird. … Das sind nach unseren Untersuchen auch oftmals Pestizide, die hier nicht erlaubt sind.“ Nebenbei bemerkt: Wegen der ganzen Rückstände sollten verblühte Schnittblumen nicht auf dem Komposthaufen entsorgt werden, sondern im Restmüll. So bleiben der Kompost und auch der Dünger, der daraus entsteht, giftfrei.

 

Wie der Blumenanbau Menschen schadet

Die Nutzung von so viel Chemie hat natürlich gesundheitliche Auswirkungen auf die Arbeitskräfte. Vor allem, wenn diese in Gewächshäusern arbeiten und nicht unter freiem Himmel. Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit sind unter anderem die Folgen. Auf den Phillippinen wurde das vermehrte Auftreten von Krebs und Nierenschäden beobachtet. Nach Schätzungen des PAN Germany sterben 40.000 Menschen weltweit in Folge der Pestizidspritzerei. Oft verfügen die Arbeitskräfte nicht über entsprechende Schutzmöglichkeiten und Kenntnisse. All die gesundheitlichen Risiken werden obendrein schlecht bezahlt. Ein kenianischer Arbeiter beispielsweise verdient höchstens um die 40 EUR monatlich und arbeitet dafür über 50 Stunden in der Woche. Auch in Kenia kann man damit keine Familie ernähren.

In Afrika bringt die Rosenzucht aber noch weitere Probleme mit sich. Der Rosenanbau braucht viel Wasser, welches in Kenia nicht gerade im Überfluss vorhanden und zudem auch noch teuer ist. Vier Liter Wasser braucht eine Rose, um gut zu wachsen. Nebenbei sickern durch das Einnebeln mit Chemie Giftstoffe durch Boden und Abwasser ins Grundwasser.

Wassermangel, vergiftete Böden sind auch Probleme in Kolumbien und Ecuador. In Ecuador war es auch, als die Harvard School of Public Health 72 Kinder zwischen sieben und acht Jahren untersuchte. Deren Mütter arbeiteten in der Schwangerschaft in einem Blumenanbaubetrieb und waren Pestiziden ausgesetzt. Eignungstests ergaben, dass ihre Kinder in ihrer Entwicklung um bis zu vier Jahre zurücklagen. „Wir haben festgestellt, dass diese Pestizide gefährlicher sind, als wir jemals dachten“, fasst der Projektleiter Philippe Grandjean die Untersuchung zusammen.

Hinter diesem Hintergrund macht es besonders fassungslos, dass Rosen mitunter raubkopiert werden. Denn auch für manche Blumen müssen Lizenzgebühren gezahlt werden, um sie anbauen zu dürfen. Jedes Jahr vernichtet der niederländische Zoll am Flughafen Amsterdam Schiphol Rosen – in einem Wert von 250 Millionen Euro. Alles in allem: Es herrschen katastrophale Zustände in der Blumenindustrie.

Und wie wirkt sich die Chemie auf den Endverbraucher aus? Über Ausdünstungen und Hautkontakt gelangen diese Substanzen in den Körper und können die Gesundheit beeinträchtigen. Eine Untersuchung belgischer Floristen zeigte, dass Pestizidrückstände in deren Urin vorhanden waren. Man weiß zwar nicht, ob und wie sich das letzten Endes auswirkt aber das Risiko ist da und die Rückstände wurden definitiv vom Körper aufgenommen. Für Verbraucher hierzulande sieht das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) keine gesundheitliche Gefährdung, so teilte man 2010 mit. Allerdings könnte diese Ansicht inzwischen ruhig aktualisiert werden. Außerdem bezog das BfR diese Stellungnahme auch nur auf Produktionen aus Deutschland und aus der EU; für  Drittstaaten könne man ein Risiko nicht sicher ausschließen. Da ist es gut zu wissen, dass jede dritte Rose aus Nicht-EU-Staaten kommt und dass man mit solchen Blumen entsprechend umgehen sollte. Der Umweltmediziner Peter Ohnsorge rät dazu, Handschuhe zu tragen oder sich zumindest nach dem Hantieren mit Schnittblumen die Hände zu waschen. Wegen der Ausdünstungen sollten die Blumen nicht ins Schlafzimmer gestellt werden oder in andere Räume, in denen man viel Zeit verbringt. Und bei Krankenbesuchen sollte man am besten ganz auf solch ein Mitbringsel verzichten.

Ebenso hält Stellpflug Verbraucher für am wenigsten gefährdet, gibt aber dennoch zu bedenken, dass es sich um „immense Mengen gefährlicher Substanzen handelt“. Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass wir sowieso schon vielen anderen Chemikalien und Ausdünstungen im Alltag ausgesetzt sind.

 

Fairtrade ist besser

Um die Situation in der Blumenbranche zu verbessern, gibt es mittlerweile zwei Siegel. Das eine ist das „Flower Label Program“ (FLP) von Fairtrade. Nur sind auch diese Blumen bzw. Rosen leider nicht pestizidfrei. Auch bei diesen fand Öko-Test mindestens 12 verschiedene Pestizide (auf einem Strauß). Dass selbst da noch so viele gefunden werden, macht das Ausmaß des Problems deutlich, so Stellpflug. Zwar könnten die Richtlinien bei Fairtrade noch weiter ausgebaut werden, aber immerhin sind die Vergabebedingungen strenger und das Siegel noch einen anderen Vorteil: Es steht für bessere Arbeitsbedingungen. Durch die Fairtrade-Prämie können Gesundheitsschulungen finanziert werden oder es gibt Projekte, welche die Grundversorgung der Arbeiter sicherstellen. Manche Farmen in Navashi haben sich eine Mühle angeschafft, mit der die Arbeiter für sich selbst Grundnahrungsmittel mahlen können. Ein zur Farm gehörender Hühnerstall sorgt für Fleisch und Eier zum günstigen Preis. Die Kosten für solche Projekte werden durch einen Aufpreis getragen, den die Importeure zahlen – ein paar Cent pro Bund.

Das andere Siegel ist der Industriestandard MPS. Das niederländische Label „Milieu Programma Sierteelt“ überprüft bei Farmen in Entwicklungsländern die Kategorie „Socially Qualified“. MPS selbst betrachtet das eigene System als „Anregung, möglichst wenige der schädlichen Mittel einzusetzen.“ Der Nachteil bei beiden Siegeln ist, dass sie keine Giftfreiheit garantieren. In deren Listen sind Substanzen erlaubt, die in Europa nicht verwendet werden dürfen und auch solche, die von Greenpeace und Öko-Test als „hochgefährlich“ eingestuft werden. Als verbotene Stoffe sind unter anderem jene gelistet, die sowieso nicht mehr eingesetzt werden. Übrigens tragen zwölf der von Öko-Test geprüften Sträuße das MPS-Label.

 

Tipps zum besseren Blumenkauf

Was kann man denn als Verbraucher tun? Keine Schnittblumen mehr kaufen? Das ist irgendwie auch keine Lösung. Dafür ist die Blumenindustrie für die Produktionsländer zu wichtig. In Kenia zum Beispiel bringt die Produktion der Rosen einen Jahresumsatz von rd. 400 Mio. Euro ein und macht damit gut ein Viertel des dortigen Bruttoinlandsproduktes aus.

Also sitzen wir ein bissen in der Zwickmühle: Auf der einen Seite sind giftige Blumen, schädlich für die Arbeiter und uns selbst. Auf der anderen Seite sind sie die Existenzgrundlage für viele Menschen. ÖKO-Test empfiehlt, „statt keiner Blumen aus Afrika, lieber bessere Blumen aus Afrika zu kaufen“; sprich Fairtrade vorzuziehen.

Eine Alternative sind die deutschen Biosiegel Naturland oder Bioland. Das grüne Logo „Ich bin von hier“ kennzeichnet regionale Blumen. Diese Sträuße kosten vielleicht ein paar Euro mehr, aber das sollten unsere Mitmenschen uns wert sein – zumindest jene, die wir beschenken wollen. Zudem sollten wir die Jahreszeiten nicht vergessen. Wir wissen, dass wir im Winter keine Erdbeeren kaufen sollten; bei Blumen ist das nicht anders. Blumen können gekauft werden, wenn sie Saison haben. Für Geschenke im Winter könnte man auf Zweige, Tannenzapfen oder Beeren zurückgreifen oder eben Fairtrade-Blumen besorgen.

Statt einem ganzen Strauß ist eine einzelne Blume mit einer Karte und lieben Worten eine ebenso schöne Aufmerksamkeit. Genauso wie eine Topfpflanze; die hält länger und eventuell beschert sie einem später sogar eine kleine Ernte. Gleichermaßen praktisch und schön sind ganz andere Mitbringsel – wie zum Beispiel unsere Naturseife. Die Lavendel-Variante duftet auch und das ganz ohne Chemie.

Zu guter Letzt noch einen Tipp: Mund auf beim Blumenkauf! Es setzt ein Zeichen, im Blumenladen nachzufragen, woher die Blumen stammen und unter welchen Bedingungen sie angebaut wurden. Das Angebot kann sich ändern – aber nur, wenn die Nachfrage nach unbehandelten, fairen Blumen steigt und gleichzeitig die Zahlungsbereitschaft wächst.

 

 

Quellen:

bund.net/umweltgifte/gefahren-fuer-die-gesundheit/schnittblumen/

uni-muenster.de/NiederlandeNet/nl-wissen/kultur/blumenland/ausbeutung.html

fr.de/wirtschaft/giftige-gruesse-11426149.html

daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/interview-oekotest-pestizide-in-blumen-100.pdf

zeit.de/wissen/2010-02/valentinstag-rosen-afrika

sueddeutsche.de/wirtschaft/blumen-aus-der-dritten-welt-die-rosenfabriken-1.3318309

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