13KGHT73 Ein Beitrag über das schwarze Rauschen
Das schwarze Rauschen

Das schwarze Rauschen

 

Die Menschenmasse drängelt und schiebt sich vorwärts. Wer stolpert, hat Pech, und kommt so schnell nicht wieder hoch. Wer ganz vorne läuft, hat Glück. Schnell muss man sein und deswegen ist jetzt jeder sich selbst der Nächste. Hindernisse werden überklettert, Konkurrenten angepöbelt oder beiseite geschubst. Wenn die Situation es erfordert, zerren manche das begehrte Gut anderen aus den Händen. Und es ist laut. Die Menschen rufen, streiten oder jubeln, sodass das eigene Wort kaum noch zu verstehen ist. Ihr Ansturm erinnert an Heuschrecken in Trickfilmen: Mit einer panischen Gier fallen die Leute über Regale und Ständer her und in sekundenschnelle ist alles vergriffen. Was sie zurücklassen, ist Chaos, Müll und Verkäufer mit Burn-out-Potenzial. Ein ganz normaler amerikanischer Black Friday eben.

 

Ein Tag mit Geschichte

Alle Jahre wieder folgt auf den vierten Donnerstag im November der absolute Wahnsinn. Seit den 50er/60er Jahren hat er auch einen Namen: Black Friday. In dieser Zeit begannen die Menschen damit, nach Thanksgiving en masse in die Innenstädte zu stürmen und sich gänzlich dem Kaufrausch hinzugeben. Damals umschrieb der Begriff „Black Friday“ die Staus und Menschenmengen, die sich wie eine schwarze kaufwütige Masse durch Einkaufspassagen wälzte. Die Polizei von Philadelphia soll diesen Tag regelrecht gefürchtet haben, heißt es. Für sie bedeutete das durch die Massenbewegung entstandene Verkehrschaos nämlich zahllose Überstunden.

Von dieser Überlieferung unbeeindruckt gilt der schwarze Freitag für viele eher als Synonym für die schwarzen Zahlen, welche die Unternehmen und Geschäftsleute in dieser Zeit schreiben. Doch unabhängig von schwarzen Massen oder Zahlen, die Tradition bleibt: Gerade noch hat man sich für das, was man hat bedankt, um tags darauf die Shops zu stürmen und all das zu bekommen, was man noch nicht hat.

2013 wurde der Black Friday in größerem Stil nach Deutschland importiert. Heute, acht Jahre später, reicht dieser eine Tag nicht mehr zum Shoppen – es müssen mehrere Tage sein oder besser noch: Wochen. 2019 gaben Online-Käufer hierzulande am Black Friday und Cyber Monday 3,1 Milliarden Euro aus. Im Durchschnitt kauft jede Person ca. vier Produkte und lässt 211,00 EUR in irgendwelchen Shops. Weltweit holten die VerbraucherInnen 2019 16,8 Mrd. Euro aus ihren Taschen.

Während in den USA der Black Friday eher den Ladengeschäften vorbehalten bleibt und die Online-Shops mit ihrem Cyber Monday kontern, ist in Deutschland ein homogener Konsumrausch daraus geworden. Auch Online-Shops bieten Black-Deals an und machen mit dem Cyber Monday gleich weiter. Mit einem Countdown versteht sich.

 

Top-Deals zum hohen Preis

Viele Bestellungen bedeuten viele Pakete und somit viel Müll. Leider verschicken viel zu wenig Händler in recycelter Pappe und ohne überflüssiges Verpackungsgedöns (so halten wir das übrigens bei bambusliebe). Plastiktüten, Füllmaterial, Schutzfolie und Co. verursachten in Deutschland 2016 8,1 Millionen Tonnen Müll. Der Müll ist aber nur die eine Seite. Wenn die Greenpeace-Sprecherin Viola Wohlgemuth an den Black Friday denkt, hat sie dabei keine schwarzen Zahlen im Sinn, sondern bezeichnet ihn „als einen schwarzen Tag für die Umwelt.“ Wohlgemuth weist darauf hin, dass unser Konsum immer mehr Ressourcen vernichtet und die Klimakrise anheizt. Daher sollten sich Verbraucher darüber im Klaren sein, dass jedes einzelne Paket Folgen für die Umwelt hat. Vielen ist das aber nicht bewusst. Online-Shopping ist eben schön bequem und einfach. Man kann ja gleich mehr bestellen und was nicht passt oder gefällt, geht eben wieder zurück. Diese Sichtweise führt dazu, dass immer mehr Kunden gleich mit dem Vorsatz bestellen, von der Auswahl etwas wieder zurückzuschicken.

Doch viele Bestellungen bedeuten auch viele Retouren und diese werden nicht unbedingt erneut verkauft. Ungefähr ein Drittel der retournierten Ware wird weggeworfen oder vernichtet. Für die Verkäufer ist der Verlust der Ware billiger, als sich mit dem Kontrollieren und neu Verpacken derselben aufzuhalten. Ein marktführender Online-Shop soll sogar um die 30 Prozent der zurückgeschickten Ware vernichten und dafür eigens „Destroy-Stationen“ errichtet haben.

Dabei wird auch ohne den schwarzen Tag schon viel zu viel zurückgeschickt. Forscher der Universität Bamberg fanden heraus, dass im Jahr 2018 jede sechste Bestellung zurückging, 280 Millionen Pakete. Davon waren 11 Millionen für die Tonne.

Jede Retoure verursacht unnötige Transportwege und CO2 Ausstoß. Außerdem stehen hinter den Produkten, die dann eventuell weggeworfen werden, oft Arbeitskräfte (aus Billiglohnländern), verschmutzte Gewässer oder abgeholzte Wälder. Das, was wir an Geld bei dem Top-Deal einsparen, bezahlt nicht selten jemand anderes mit seiner Gesundheit oder die Natur mit ihren Ressourcen. Ein hoher Preis für satte Rabatte.

 

Rabatte und Psychologie

Kann man das nicht in Kauf nehmen, wenn man doch so schön spart? Spart man überhaupt? Nicht wirklich. Zum einen kauft man auf dem Online-Wege mehr, als man eigentlich gerade benötigt. Zum anderen sind die Prozente oft nicht so lohnenswert, wie verheißen. Das ergab eine Untersuchung des Verbraucherschutzes: Bei 1400 Angeboten konnte meistens um 10 % bis 25 % Ermäßigung eingespart werden und nicht die beworbenen 60 %. Viele Anbieter heben die Preise vorher an, um den Rabatt höher wirken zu lassen. Einen Monat lang beobachtete das Vergleichsportal Netzsieger die Preise für Smartphones, Fernseher, Waschmaschinen und Kühlschränke und stellte dabei starke Preisschwankungen fest. Bei manchen Geräten stieg der Preis bis kurz vor dem Black Friday sogar auf 70,00 EUR und nur bei einem von acht Geräten sank der Preis stetig.

Zu einem ähnlichen Fazit kommt das ZDF-Magazin WISO. Das WISO-Team beobachtete über ein halbes Jahr lang 3.068 Produkte und dokumentierte dazu fast 12 Mio. Einzelpreise. Die Analyse begann ungefähr zwei Monate vor dem Black Friday 2017 und endete vier Monate danach. Das Ergebnis: Bei 67,9 % der beobachteten Produkte blieb der Preis den gesamten Zeitraum hindurch identisch – und änderte sich auch am Black Friday nicht.

Warum denkt man trotzdem, dass man Geld sparen würde? Das liegt an der „unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers“ (UVP), die von den Verkäufern als ursprünglicher Preis angegeben wird. Die UVP entspricht aber nicht dem eigentlichen Marktpreis und so können locker 50 % auf den „Originalpreis“ beworben werden. Die UVP ist immer sehr hoch angesetzt und wird eigentlich von keinem Verkäufer tatsächlich kassiert. Ein bisschen sparen geht mitunter allerdings doch. Tipps dafür gibt die Verbraucherzentrale.

Dann ist da noch die Sache mit dem Neuromarketing, also die Erforschung des Kunden-Gehirns. Dabei werden die Erkenntnisse der Hirnforschung und der Psychologie genutzt, um zu verstehen, wie der Kunde Kaufentscheidungen trifft und wie man diese beeinflussen kann. Mit anderen Worten: Wissenschaftler arbeiten daran, den neuronalen Kauf-Button zu finden. Forschungen haben ergeben, dass Schnäppchen und Rabatte das Belohnungszentrum im Gehirn ansprechen (den Nucleus accumbens). Wenn wir uns motiviert fühlen und Glücksgefühle empfinden, geht das überwiegend auf die Kappe des Belohnungszentrums – und eben auch wenn bei uns ein „Ich will das haben!“ aufpoppt. Dabei gerät unsere Entscheidungsfindung etwas in den Hintergrund und wir werden kritiklos. Wenn dann noch ein Countdown verkündet, dass wir nur noch drei Stunden Zeit haben, um bei einem Angebot zuzuschlagen, entsteht geradezu ein Druck, sich das Schnäppchen nicht entgehen zu lassen. Und das, wo wir doch vorher noch nicht einmal wussten, dass wir diese Sache überhaupt wollten.

Wie wird man denn wieder Herr über seinen Nucleus accumbens? Durch Distanz. Halten wir inne und fragen uns: Brauche ich das? Am besten überlegt man schon ein paar Wochen vor dem Black Friday, was man wirklich braucht, sucht gezielt nach entsprechenden Angeboten dazu und beobachtet die Preise ein paar Wochen vorher. Das lohnt sich vor allem bei Elektrogeräten, denn die kauft man nicht ständig und die gehen oft richtig ins Budget. Das Kaufen in Maßen, nicht in Massen, kann den Tag zu einer guten Gelegenheit werden lassen, um hier und da etwas zu sparen. Und darauf sind immer mehr Menschen angewiesen. Noch besser ist es, die Dinge zu nutzen, die man hat. Darauf macht der Circular Monday aufmerksam.

 

Wenn sich alles in Kreisen bewegt

Der „Circular Monday“ (ehem. „White Monday) ist die schwedische Gegenveranstaltung des Black Friday. Seit 2017 gibt diesen Aktionstag. Ins Leben gerufen wurde er von dem Start up-Gründer Henning Gillberg, der mit seinem Unternehmen Kleidung re- und upcycelt. Der Circular Monday soll zu einem gut überlegten Konsum anregen, einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen fördern und die Kreislaufwirtschaft ankurbeln. Er richtet sich nicht gegen den Konsum als solches, wohl aber gegen den Konsumwahnsinn. Es geht nicht darum, überhaupt nichts zu kaufen, sondern darum, anders zu kaufen. Gillberg und den anderen Initiatoren ist bewusst, dass Konsum zu unserem modernen Leben gehört, dass wir aber weg müssen von der „shop until you drop“-Mentalität (also vom „Einkaufen bis zum Umfallen“).

Am besten geht das durch ein verändertes Kaufverhalten. Z. B. indem man sich beim Kauf für Produkte entscheidet, die wiederverwendet oder wiederverwertet werden können. Doch vor einem Neukauf gilt es zu überlegen, ob man nicht mit den Dingen arbeiten kann, die man bereits hat oder die man sich leihen könnte. Der Zauberbuchstabe dafür ist das R – Reuse, Repair, Rent. Das Ziel ist also, Dinge wiederzuverwenden, zu reparieren oder zu teilen. Durch diesen Blickwinkel kann Konsum zu einer Option werden und nicht zu einer Shopping-Tour im Blindflug. Zudem ist es „eine der wirkungsvollsten Möglichkeiten, dazu beizutragen, den Planeten zu retten, wenn wir Dinge wiederverwenden, reparieren und recyclen“, so Gillberg. Ok, wenn weniger Konsum und Umweltschutz das Ziel ist, wäre denn nicht auch ein Boykott des Black Friday eine Alternative?

 

Wir haben die Wahl

Nicht unbedingt. Denn wenn wir weniger einkaufen, wirkt sich das natürlich auf die Wirtschaft aus. Deren Wohlergehen hängt nun mal vom Kaufen ab. Vor allem seit Corona. Weniger Ausgaben würden einen Kreislauf in Gang setzen und zunächst zu einem Rückgang der Verbraucherpreise (Deflation) führen. Dieser wiederum zieht erst die Löhne runter, dann die gesamte Wirtschaft. Durch die Lockdowns und Pandemie-bedingten Einschränkungen sind Unternehmen und Geschäfte auf jeden Taler angewiesen. Ein Boykott käme da ungelegen. Der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier empfindet Einkaufen momentan gar als "patriotische Pflicht" und spricht sich dafür aus, dass Geschäfte auch sonntags geöffnet haben dürfen, um die Härten der Pandemie abzufangen. Fast wirkt es, als ob man sich entscheiden müsse, ob man nun die Wirtschaft oder die Umwelt retten will. Aber zum Glück kommt genau hier der bewusste Konsum zum Tragen: Wir können Billigware bei einem riesen Online-Konzern kaufen oder liebevoll gefertigte Ware im kleinen Laden nebenan. Zudem würde die Abschaffung des Black Friday keine problematischen Arbeitsbedingungen oder Umweltprobleme lösen. Dazu braucht es etwas mehr. Aber wir können ja den Anfang machen. Für uns, in kleinem Rahmen. Dann brauchen wir uns nicht durch eingangs erwähnte Massen kämpfen, können die Umwelt schonen und zählen nicht zu jenen, die Epikur einst mit den Worten beschrieb: „Nichts genügt dem, für den genug zu wenig ist“.

 

 

Quellen:

greenpeace.de/themen/umwelt-gesellschaft/black-friday

planet‑wissen.de/gesellschaft/wirtschaft/konsum/pwieneuromarketinghirnforscheruntersuchenwerbereize100.html

presseportal.zdf.de/pressemitteilung/mitteilung/zdf-wiso-preisanalyse-wenige-echte-schnaeppchen-am-black-friday/select_category/11/seite/2/

zeit.de/zeit-magazin/mode-design/2018-11/black-friday-freitag-rabatte-angebote-einkauf-kleidung

verbraucherzentrale-niedersachsen.de/themen/kaufen-reklamieren/black-friday-cyber-monday-kein-kauf-ohne-preisvergleich

 

Die Menschenmasse drängelt und schiebt sich vorwärts. Wer stolpert, hat Pech, und kommt so schnell nicht wieder hoch. Wer ganz vorne läuft, hat Glück. Schnell muss man sein und deswegen ist jetzt jeder sich selbst der Nächste. Hindernisse werden überklettert, Konkurrenten angepöbelt oder beiseite geschubst. Wenn die Situation es erfordert, zerren manche das begehrte Gut anderen aus den Händen. Und es ist laut. Die Menschen rufen, streiten oder jubeln, sodass das eigene Wort kaum noch zu verstehen ist. Ihr Ansturm erinnert an Heuschrecken in Trickfilmen: Mit einer panischen Gier fallen die Leute über Regale und Ständer her und in sekundenschnelle ist alles vergriffen. Was sie zurücklassen, ist Chaos, Müll und Verkäufer mit Burn-out-Potenzial. Ein ganz normaler amerikanischer Black Friday eben.

 

Ein Tag mit Geschichte

Alle Jahre wieder folgt auf den vierten Donnerstag im November der absolute Wahnsinn. Seit den 50er/60er Jahren hat er auch einen Namen: Black Friday. In dieser Zeit begannen die Menschen damit, nach Thanksgiving en masse in die Innenstädte zu stürmen und sich gänzlich dem Kaufrausch hinzugeben. Damals umschrieb der Begriff „Black Friday“ die Staus und Menschenmengen, die sich wie eine schwarze kaufwütige Masse durch Einkaufspassagen wälzte. Die Polizei von Philadelphia soll diesen Tag regelrecht gefürchtet haben, heißt es. Für sie bedeutete das durch die Massenbewegung entstandene Verkehrschaos nämlich zahllose Überstunden.

Von dieser Überlieferung unbeeindruckt gilt der schwarze Freitag für viele eher als Synonym für die schwarzen Zahlen, welche die Unternehmen und Geschäftsleute in dieser Zeit schreiben. Doch unabhängig von schwarzen Massen oder Zahlen, die Tradition bleibt: Gerade noch hat man sich für das, was man hat bedankt, um tags darauf die Shops zu stürmen und all das zu bekommen, was man noch nicht hat.

2013 wurde der Black Friday in größerem Stil nach Deutschland importiert. Heute, acht Jahre später, reicht dieser eine Tag nicht mehr zum Shoppen – es müssen mehrere Tage sein oder besser noch: Wochen. 2019 gaben Online-Käufer hierzulande am Black Friday und Cyber Monday 3,1 Milliarden Euro aus. Im Durchschnitt kauft jede Person ca. vier Produkte und lässt 211,00 EUR in irgendwelchen Shops. Weltweit holten die VerbraucherInnen 2019 16,8 Mrd. Euro aus ihren Taschen.

Während in den USA der Black Friday eher den Ladengeschäften vorbehalten bleibt und die Online-Shops mit ihrem Cyber Monday kontern, ist in Deutschland ein homogener Konsumrausch daraus geworden. Auch Online-Shops bieten Black-Deals an und machen mit dem Cyber Monday gleich weiter. Mit einem Countdown versteht sich.

 

Top-Deals zum hohen Preis

Viele Bestellungen bedeuten viele Pakete und somit viel Müll. Leider verschicken viel zu wenig Händler in recycelter Pappe und ohne überflüssiges Verpackungsgedöns (so halten wir das übrigens bei bambusliebe). Plastiktüten, Füllmaterial, Schutzfolie und Co. verursachten in Deutschland 2016 8,1 Millionen Tonnen Müll. Der Müll ist aber nur die eine Seite. Wenn die Greenpeace-Sprecherin Viola Wohlgemuth an den Black Friday denkt, hat sie dabei keine schwarzen Zahlen im Sinn, sondern bezeichnet ihn „als einen schwarzen Tag für die Umwelt.“ Wohlgemuth weist darauf hin, dass unser Konsum immer mehr Ressourcen vernichtet und die Klimakrise anheizt. Daher sollten sich Verbraucher darüber im Klaren sein, dass jedes einzelne Paket Folgen für die Umwelt hat. Vielen ist das aber nicht bewusst. Online-Shopping ist eben schön bequem und einfach. Man kann ja gleich mehr bestellen und was nicht passt oder gefällt, geht eben wieder zurück. Diese Sichtweise führt dazu, dass immer mehr Kunden gleich mit dem Vorsatz bestellen, von der Auswahl etwas wieder zurückzuschicken.

Doch viele Bestellungen bedeuten auch viele Retouren und diese werden nicht unbedingt erneut verkauft. Ungefähr ein Drittel der retournierten Ware wird weggeworfen oder vernichtet. Für die Verkäufer ist der Verlust der Ware billiger, als sich mit dem Kontrollieren und neu Verpacken derselben aufzuhalten. Ein marktführender Online-Shop soll sogar um die 30 Prozent der zurückgeschickten Ware vernichten und dafür eigens „Destroy-Stationen“ errichtet haben.

Dabei wird auch ohne den schwarzen Tag schon viel zu viel zurückgeschickt. Forscher der Universität Bamberg fanden heraus, dass im Jahr 2018 jede sechste Bestellung zurückging, 280 Millionen Pakete. Davon waren 11 Millionen für die Tonne.

Jede Retoure verursacht unnötige Transportwege und CO2 Ausstoß. Außerdem stehen hinter den Produkten, die dann eventuell weggeworfen werden, oft Arbeitskräfte (aus Billiglohnländern), verschmutzte Gewässer oder abgeholzte Wälder. Das, was wir an Geld bei dem Top-Deal einsparen, bezahlt nicht selten jemand anderes mit seiner Gesundheit oder die Natur mit ihren Ressourcen. Ein hoher Preis für satte Rabatte.

 

Rabatte und Psychologie

Kann man das nicht in Kauf nehmen, wenn man doch so schön spart? Spart man überhaupt? Nicht wirklich. Zum einen kauft man auf dem Online-Wege mehr, als man eigentlich gerade benötigt. Zum anderen sind die Prozente oft nicht so lohnenswert, wie verheißen. Das ergab eine Untersuchung des Verbraucherschutzes: Bei 1400 Angeboten konnte meistens um 10 % bis 25 % Ermäßigung eingespart werden und nicht die beworbenen 60 %. Viele Anbieter heben die Preise vorher an, um den Rabatt höher wirken zu lassen. Einen Monat lang beobachtete das Vergleichsportal Netzsieger die Preise für Smartphones, Fernseher, Waschmaschinen und Kühlschränke und stellte dabei starke Preisschwankungen fest. Bei manchen Geräten stieg der Preis bis kurz vor dem Black Friday sogar auf 70,00 EUR und nur bei einem von acht Geräten sank der Preis stetig.

Zu einem ähnlichen Fazit kommt das ZDF-Magazin WISO. Das WISO-Team beobachtete über ein halbes Jahr lang 3.068 Produkte und dokumentierte dazu fast 12 Mio. Einzelpreise. Die Analyse begann ungefähr zwei Monate vor dem Black Friday 2017 und endete vier Monate danach. Das Ergebnis: Bei 67,9 % der beobachteten Produkte blieb der Preis den gesamten Zeitraum hindurch identisch – und änderte sich auch am Black Friday nicht.

Warum denkt man trotzdem, dass man Geld sparen würde? Das liegt an der „unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers“ (UVP), die von den Verkäufern als ursprünglicher Preis angegeben wird. Die UVP entspricht aber nicht dem eigentlichen Marktpreis und so können locker 50 % auf den „Originalpreis“ beworben werden. Die UVP ist immer sehr hoch angesetzt und wird eigentlich von keinem Verkäufer tatsächlich kassiert. Ein bisschen sparen geht mitunter allerdings doch. Tipps dafür gibt die Verbraucherzentrale.

Dann ist da noch die Sache mit dem Neuromarketing, also die Erforschung des Kunden-Gehirns. Dabei werden die Erkenntnisse der Hirnforschung und der Psychologie genutzt, um zu verstehen, wie der Kunde Kaufentscheidungen trifft und wie man diese beeinflussen kann. Mit anderen Worten: Wissenschaftler arbeiten daran, den neuronalen Kauf-Button zu finden. Forschungen haben ergeben, dass Schnäppchen und Rabatte das Belohnungszentrum im Gehirn ansprechen (den Nucleus accumbens). Wenn wir uns motiviert fühlen und Glücksgefühle empfinden, geht das überwiegend auf die Kappe des Belohnungszentrums – und eben auch wenn bei uns ein „Ich will das haben!“ aufpoppt. Dabei gerät unsere Entscheidungsfindung etwas in den Hintergrund und wir werden kritiklos. Wenn dann noch ein Countdown verkündet, dass wir nur noch drei Stunden Zeit haben, um bei einem Angebot zuzuschlagen, entsteht geradezu ein Druck, sich das Schnäppchen nicht entgehen zu lassen. Und das, wo wir doch vorher noch nicht einmal wussten, dass wir diese Sache überhaupt wollten.

Wie wird man denn wieder Herr über seinen Nucleus accumbens? Durch Distanz. Halten wir inne und fragen uns: Brauche ich das? Am besten überlegt man schon ein paar Wochen vor dem Black Friday, was man wirklich braucht, sucht gezielt nach entsprechenden Angeboten dazu und beobachtet die Preise ein paar Wochen vorher. Das lohnt sich vor allem bei Elektrogeräten, denn die kauft man nicht ständig und die gehen oft richtig ins Budget. Das Kaufen in Maßen, nicht in Massen, kann den Tag zu einer guten Gelegenheit werden lassen, um hier und da etwas zu sparen. Und darauf sind immer mehr Menschen angewiesen. Noch besser ist es, die Dinge zu nutzen, die man hat. Darauf macht der Circular Monday aufmerksam.

 

Wenn sich alles in Kreisen bewegt

Der „Circular Monday“ (ehem. „White Monday) ist die schwedische Gegenveranstaltung des Black Friday. Seit 2017 gibt diesen Aktionstag. Ins Leben gerufen wurde er von dem Start up-Gründer Henning Gillberg, der mit seinem Unternehmen Kleidung re- und upcycelt. Der Circular Monday soll zu einem gut überlegten Konsum anregen, einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen fördern und die Kreislaufwirtschaft ankurbeln. Er richtet sich nicht gegen den Konsum als solches, wohl aber gegen den Konsumwahnsinn. Es geht nicht darum, überhaupt nichts zu kaufen, sondern darum, anders zu kaufen. Gillberg und den anderen Initiatoren ist bewusst, dass Konsum zu unserem modernen Leben gehört, dass wir aber weg müssen von der „shop until you drop“-Mentalität (also vom „Einkaufen bis zum Umfallen“).

Am besten geht das durch ein verändertes Kaufverhalten. Z. B. indem man sich beim Kauf für Produkte entscheidet, die wiederverwendet oder wiederverwertet werden können. Doch vor einem Neukauf gilt es zu überlegen, ob man nicht mit den Dingen arbeiten kann, die man bereits hat oder die man sich leihen könnte. Der Zauberbuchstabe dafür ist das R – Reuse, Repair, Rent. Das Ziel ist also, Dinge wiederzuverwenden, zu reparieren oder zu teilen. Durch diesen Blickwinkel kann Konsum zu einer Option werden und nicht zu einer Shopping-Tour im Blindflug. Zudem ist es „eine der wirkungsvollsten Möglichkeiten, dazu beizutragen, den Planeten zu retten, wenn wir Dinge wiederverwenden, reparieren und recyclen“, so Gillberg. Ok, wenn weniger Konsum und Umweltschutz das Ziel ist, wäre denn nicht auch ein Boykott des Black Friday eine Alternative?

 

Wir haben die Wahl

Nicht unbedingt. Denn wenn wir weniger einkaufen, wirkt sich das natürlich auf die Wirtschaft aus. Deren Wohlergehen hängt nun mal vom Kaufen ab. Vor allem seit Corona. Weniger Ausgaben würden einen Kreislauf in Gang setzen und zunächst zu einem Rückgang der Verbraucherpreise (Deflation) führen. Dieser wiederum zieht erst die Löhne runter, dann die gesamte Wirtschaft. Durch die Lockdowns und Pandemie-bedingten Einschränkungen sind Unternehmen und Geschäfte auf jeden Taler angewiesen. Ein Boykott käme da ungelegen. Der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier empfindet Einkaufen momentan gar als "patriotische Pflicht" und spricht sich dafür aus, dass Geschäfte auch sonntags geöffnet haben dürfen, um die Härten der Pandemie abzufangen. Fast wirkt es, als ob man sich entscheiden müsse, ob man nun die Wirtschaft oder die Umwelt retten will. Aber zum Glück kommt genau hier der bewusste Konsum zum Tragen: Wir können Billigware bei einem riesen Online-Konzern kaufen oder liebevoll gefertigte Ware im kleinen Laden nebenan. Zudem würde die Abschaffung des Black Friday keine problematischen Arbeitsbedingungen oder Umweltprobleme lösen. Dazu braucht es etwas mehr. Aber wir können ja den Anfang machen. Für uns, in kleinem Rahmen. Dann brauchen wir uns nicht durch eingangs erwähnte Massen kämpfen, können die Umwelt schonen und zählen nicht zu jenen, die Epikur einst mit den Worten beschrieb: „Nichts genügt dem, für den genug zu wenig ist“.

 

 

Quellen:

greenpeace.de/themen/umwelt-gesellschaft/black-friday

planet‑wissen.de/gesellschaft/wirtschaft/konsum/pwieneuromarketinghirnforscheruntersuchenwerbereize100.html

presseportal.zdf.de/pressemitteilung/mitteilung/zdf-wiso-preisanalyse-wenige-echte-schnaeppchen-am-black-friday/select_category/11/seite/2/

zeit.de/zeit-magazin/mode-design/2018-11/black-friday-freitag-rabatte-angebote-einkauf-kleidung

verbraucherzentrale-niedersachsen.de/themen/kaufen-reklamieren/black-friday-cyber-monday-kein-kauf-ohne-preisvergleich

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